Ein europäisches Bildungsprojekt fördert den Generationendialog durch die gemeinsame künstlerische Nutzung digitaler Medien

Von Almuth Fricke

Foto: Barbara Donaubauer

Im Zuge der demografischen Veränderungen unserer Gesellschaft hat die Debatte um das Generationenverhältnis wieder an Fahrt gewonnen. Statistisch gesehen besteht ein zunehmendes Ungleichgewicht zwischen der immer größer werdenden Gruppe von Älteren und immer weniger jungen Menschen. Laut Demografie-Bericht der Bundesregierung von 2011 gibt es erstmals prozentual mehr Menschen über 65 als Kinder und Jugendliche unter 20 Jahren. Dementsprechend ist in Politik und Gesellschaft die Sorge um die Generationengerechtigkeit groß: Es geht um eine faire Verteilung der Soziallasten, um nachhaltiges Wirtschaften mit den (noch) vorhandenen Ressourcen und um politischen Einfluss, denn die Wählergruppe der Über-65-Jährigen wird künftig überproportional vertreten sein.

Kein „Kampf der Generationen“

Für einen medial beschworenen „Kampf der Generationen“ gibt es allerdings keine empirischen Belege: Die letzten Shell-Jugendstudien (2006 und 2010) verweisen vielmehr darauf, dass persönliche Beziehungen junger Menschen zu Älteren mit einem positiven Blick auf das Alter einhergehen und dass in den Familien gut funktionierende Generationenbeziehungen überwiegen. Auch die Anfang 2013 erschienene Altersstudie des Generali Zukunftsfonds kommt zu dem Befund, dass die Generationen innerhalb von Familien ein gutes Verhältnis haben und beachtliche zeitliche und materielle Unterstützungsleistungen transferiert werden, und zwar in beiden Richtungen.

Allerdings haben sich die familiären Strukturen in den letzten Jahrzehnten stark gewandelt. Kinder und Jugendliche wachsen heute vielfach in räumlicher Distanz zu ihren Großeltern auf und haben nicht mehr regelmäßig Kontakt zu den älteren Menschen in ihrer Verwandtschaft. Am anderen Ende der Altersskala haben immer mehr Menschen, vor allem ab der so genannten „1968er-Generation“, die jetzt oder demnächst das Rentenalter erreicht, keine eigenen Kinder bzw. Enkel. Somit werden selbstverständliche Begegnungen und Austauschmöglichkeiten zwischen den Generationen im Alltag seltener.

Blick auf die andere Generation

Foto: Janet Sinica/SKStiftungKultur

Für ein nachhaltiges Generationenverhältnis, in dem ein fairer Ausgleich zwischen den Interessen aller Altersgruppen stattfindet, ist ein lebendiger Dialog und Austausch eine wichtige Grundlage. Kunst und Kultur scheinen dafür ein besonders gutes Vehikel zu sein. In den Darstellenden Künsten, der Musik und den Medien werden Begegnungen zwischen den Generationen ermöglicht, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu thematisieren. Ältere wie auch Jüngere sollen durch das gemeinsame künstlerische Tun die Möglichkeit erhalten, einen Blick auf die jeweils andere Generation zu entwickeln und die Welt mit deren Augen zu sehen.

Dies ist auch das Anliegen des europäischen Projekts „mix@ges – Intergenerational Bonding via Creative New Media“, das das Institut für Bildung und Kultur gemeinsam mit Partnern aus Schottland, Österreich, Belgien und Slowenien durchführt.

Künstlerisch-kulturelle Begegnungsräume für Generationen

mix@ges will kulturelle Begegnungsräume für Generationen durch die kreativ-künstlerische Nutzung (neuer) digitaler Medien schaffen und innovative Wege in der intergenerationellen Kulturvermittlung aufzeigen. Bei gemeinsamen kreativen und künstlerischen Aktivitäten konnten junge und ältere Menschen im informellen Rahmen zusammenkommen und miteinander und voneinander lernen. Junge Menschen nutzen bereits neue Medien, um sich kreativ auszudrücken. Ihnen ist die Rolle der neuen Medien in der heutigen Gesellschaft bewusst. Auch Ältere erkennen die Vorteile, die die neuen Medien für ihren Alltag haben könnten. Sie benötigen jedoch vielfach Hilfe bei Zugang und Nutzung.

Neben der Vermittlung von Medienkompetenz stand vor allem die Förderung der intergenerationellen Kommunikation im Zentrum des Projekts. Beim gemeinsamen künstlerischen Schaffen konnten die Beteiligten Verständnis für die Lebenssituation der anderen Generation entwickeln und bestehende Klischees und Stereotype, die einer Kommunikation oftmals im Wege stehen, hinterfragen.

Foto: Brian Lochrin

Generationenverbindende Medienkunst

In einer Reihe von Workshops in den fünf beteiligten Ländern, die unter Leitung von professionellen Künstlern und Medienpädagogen und in Zusammenarbeit mit Kulturinstitutionen, Senioreneinrichtungen und Schulen organisiert wurden, wurden Jugendliche und Ältere gemeinsam medienkünstlerisch tätig: In Deutschland entstanden so Audioguides zu einer Kunstausstellung in der Villa Stuck in München; im LehmbruckMuseum in Duisburg wurden Tagtool Performances – animierte Licht- und Farbinstallationen – in Generationentandems kreiert; die SK Stiftung Kultur Köln produzierte einen Generationenblog in einem Kölner Stadtteil, der mit Tablets zu den Themen (Vor-)Stadt, Alltag, Heimat erstellt wurde. (www.generationenblog.de)

Darüber hinaus wurden gemeinsam Kurzfilme mit dem iPod gedreht, digitale Musikaufnahmen erstellt und ins Netz gestellt, eine Stadtteil-App entwickelt und mit dem Handy Fotokunst gemacht. Alle Beteiligten hatten großen Spaß beim gemeinsamen Gestalten ihrer medienkünstlerischen Produkte – ein wichtiger Faktor für das Gelingen von Generationenprojekten!

Die Workshops wurden evaluiert und die Erfahrungen und Erkenntnisse sind in ein Handbuch eingeflossen, in dem die Methoden der einzelnen Workshops beschrieben und praktische Tipps zum Nachahmen gegeben werden. Das Handbuch soll allen, die Interesse an der intergenerationellen Projektarbeit haben, eine Basis für eigenes Planen und Handeln sein.

Internationaler Projektabschluss in Ljubljana

Foto: Janet Sinica/SKStiftungKultur

Das Handbuch und die Ergebnisse der Evaluation werden auf der zentralen Abschlussveranstaltung am 16. Mai 2013 in Ljubljana vorgestellt. Dort präsentieren die Teilnehmenden mit den beteiligten Künstlerinnen und Künstler ihre Workshops und deren Ergebnisse. Experten und Interessierte haben die Möglichkeit, ihre Erfahrungen mit Generationenprojekten auszutauschen und Aspekte der intergenerationellen Arbeit zu diskutieren. Gleichzeitig erkunden die jungen und älteren Teilnehmenden aus den fünf beteiligten Ländern bei praktischen Aktivitäten in Generationentandems die Stadt und werden kreativ tätig.

An dem von der Europäischen Union im Programm „Lebenslanges Lernen“ geförderten Projekt beteiligen sich Partnerinstitutionen aus fünf europäischen Ländern: die University of Strathclyde mit dem Scottish Centre for Intergenerational Practice, Glasgow, Schottland, das Institut für Bildung und Kultur e.V. Remscheid, Deutschland als Projekt-Koordinator, KulturKontakt Austria, Wien, Österreich, die Organisation Entr’Ages in Brüssel, Belgien sowie der Slowenische Seniorenverband ZDUS in Ljubljana, Slowenien.

Kontakt

Weitere Informationen zu mix@ges – Intergenerational Bonding via Creative New Media finden Sie unter: www.mixages.eu

Institut für Bildung und Kultur e.V.
Küppelstein 34, 42857 Remscheid
Almuth Fricke
Tel. 02191 794 294
E-Mail: fricke@ibk-kultur.de
www.ibk-kubia.de/generationen

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