Ein interaktives Bildungsprogramm für Jugendliche und junge Erwachsene

Während Schlagzeilen zu Lateinamerika nur gelegentlich in den hiesigen Medien auftauchen – Auslöser sind dann Erdbeben, Hurrikans, Gewaltverbrechen von Drogenbanden oder aufmüpfige Reden von Venezuelas Präsident Hugo Chávez – gehören costaricanische Bananen ebenso zu unserem alltäglichen Konsum wie kolumbianischer Kaffee oder kubanischer Rum. Die gesellschaftlichen Realitäten hinter diesen Produkten bleiben dabei meist im Dunkeln. Zeiten, in denen spektakuläre Volksaufstände und brutale Militärdiktaturen auch hierzulande für heftige politische Auseinandersetzungen sorgten, gehören lange der Vergangenheit an. Che Guevara begegnen wir heute als Werbe-Ikone für günstige Kleinwagen oder nette Studi-Parties. Dabei spielen sich in Lateinamerika gesellschaftliche Prozesse ab, die unsere Aufmerksamkeit verdienen: Eine rasante Modernisierung trifft auf junge Gesellschaften und alte Traditionen. Zugleich haben gewaltige soziale Verwerfungen zum Auseinanderklaffen der Armut-Reichtums-Schere geführt und neue soziale Bewegungen und Akteure (auch aus den Reihen indigener Organisationen) entstehen lassen.

Neue Horizonte

Eine besondere Herausforderung in der Bildungsarbeit zu Lateinamerika besteht in der Suche nach Möglichkeiten, dieses Thema aus seiner Nische zu befreien und für eine Öffentlichkeit jenseits spezialisierter Debatten von Fachkreisen interessant zu machen. Dazu braucht es Methoden, mit denen es gelingen kann, mehr Menschen zu erreichen und zu begeistern.
Das „Fokuscafé Lateinamerika“ ist ein interaktives und partizipatives Bildungsprogramm für die außerschulische und schulische Bildungsarbeit mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Die Erfahrbarkeit verschiedener Problemlagen, unabhängig von Vorwissen und Fachkenntnissen, steht dabei im Vordergrund.

 

Wie funktioniert das Fokuscafé Lateinamerika?

Anhand von fünf Modulen – Klischees, Geschichte, Ökonomie, Migration und Eine Welt – werden verschiedene Dimensionen der Beziehungen zwischen Europa und Lateinamerika thematisiert. Die Umrahmung des inhaltlichen Programms schafft ein mit Geschichten, Fotos und Schaubildern gestalteter Raum – das Fokuscafé, das ähnlich einer Wanderausstellung an verschiedenen Orten einsetzbar ist. Bei der Vermittlung der Lerninhalte stehen spielerische und partizipative Methoden – Simulationen, Quizshows, Rollen- und Planspiele – im Vordergrund. So sollen Interaktion und Spaß nicht zu kurz kommen und ein Perspektivwechsel ermöglicht werden.

Gruppengröße und Zeitaufwand

Das Fokuscafé Lateinamerika ist durch ein Modul-System hinsichtlich Zeitaufwand und Gruppengröße flexibel einsetzbar. Jedes Modul ist eine in sich geschlossene Lerneinheit aus mehreren inhaltlichen Bausteinen. Die Lern-Methoden eignen sich für Gruppen von 10 bis 30 Teilnehmenden.

Zielgruppen:

  • SchülerInnen ab Klasse 10 (z.B. Politik-, Geografie- oder Geschichtsunterricht, SchülerInnen AGs oder Projekttage).
  • Jugendliche und junge Erwachsene (ca. 16 -25 Jahre), die sich politisch oder sozial engagieren (z.B. in der Gewerkschaftsjugend, in Parteien, in Menschenrechts- oder, Umweltgruppen, Eine Welt AGs).
  • Junge Menschen mit Abitur oder Berufsausbildung, die besonderes Interesse, aber noch keine oder wenig Vorerfahrung zu Lateinamerika haben. Solche, die sich zum Beispiel auf ein FSJ-, AdiA- oder ein Freiwilligenjahr im Ausland vorbereiten.

Fünf Module
Modul Klischees: „Bilder, Brillen, Blickwechsel“

Bausteine: Annäherungen – Bilder und Wirklichkeiten – Gefilterte Wahrnehmung

Das Modul „Klischees“ ist als Einstiegsmodul für das Themenfeld Lateinamerika konzipiert und vermittelt wichtige inhaltliche und methodische Grundlagen für eine vertiefende Auseinandersetzung mit lateinamerikanischen Wirklichkeiten. Ausgehend von einer kritischen Hinterfragung medial vermittelter Lateinamerikabilder und gängiger Klischees, ihrer Genese, Funktionsweise und ihrem Zweck, entwickeln die Teilnehmer_innen einen neuen Blick auf die vielen – auch widersprüchlichen – Gesichter Lateinamerikas.

Modul Geschichte: „Von der Conquista bis heute“

Bausteine: Ungleiche Entwicklungswege – Bananenkrieg – Nicaraguasolidarität – Indigener Widerstand

Geschichte ist weit mehr als nur Vergangenheit. Was wir heute tun, ist bereits morgen Vergangenheit, und die gestrigen Erlebnisse wirken sich in unterschiedlicher Intensität auf unsere heutigen Entscheidungen oder Handlungen von übermorgen aus. Geschichte und Geschehen sind inhaltlich nicht voneinander zu trennen. Das Fundament der heutigen globalen Weltordnung wurde mit der Epoche der kolonialen Eroberungen durch die Europäer vor bereits über 500 Jahren geschaffen. Im Modul Geschichte werden Zusammenhänge der ungleichen Entwicklungswege Lateinamerikas und Europas beleuchtet, die in historischen Ereignissen begründet liegen und in der Gegenwart fortwirken.

Modul Ökonomie – „Wenn der Lohn zum Überleben nicht reicht…“

Bausteine: Ungerechter Welthandel – Arbeiten in den Weltmarktfabriken – Umwelt- und Ressourcenkonflikte – Folgen der Wirtschaftskrise

Mit diesem Modul richtet sich unser Blick auf die Problemfelder mittelamerikanischer Ökonomien, die vorherrschenden Produktionsbedingungen und die davon betroffenen sozialen Verhältnisse. Die mittelamerikanischen Gesellschaften sind Agrargesellschaften, die allerdings durch die beschleunigte Einbeziehung in Weltmarktstrukturen einem drastischen Wandel unterworfen sind. Wir stellen die konkreten Lebens- und Arbeitsbedingungen der Menschen in das Zentrum unserer Aufmerksamkeit und gehen folgenden Fragen nach: Unter welchen Bedingungen wird in Mittelamerika für den Weltmarkt produziert? Wie wurde die Einbindung Mittelamerikas in Weltmarktstrukturen vollzogen? Welche Folgen hat die immer weitergehende ökonomische Erschließung dieser Länder für ihre Entwicklung? Was bedeutet eine übersteigerte exportorientierte Landnutzung und Ressourcenausbeutung für die Frage der Landverteilung, für eine sichere Ernährung der Bevölkerung und für die soziale Gerechtigkeit? Und welche Folgen hat die globale ökonomische Krise für een Lebens- und Arbeitsalltag der Menschen in diesen Ländern?

Modul Migration – „Wege, Träume und neue Hoffnungen“

Bausteine: Deutsche Siedler – Jüdische Fluchtwege – Riskante Reise nach Norden – Leben zwischen den Welten – Soziale und ökonomische Dimensionen

Migration ist ein soziales Phänomen, das seit Beginn der Menschheitsgeschichte existiert. Die Motivation ist dabei immer schon der Traum von einem besseren Leben gewesen bzw. der Wille, sich aus einer Situation des Mangels – an Freiheit oder an (Über)Lebensmitteln – zu befreien. Zusätzlich bedarf es einer gerüttelten Portion Mutes, nicht in Armut und Unfreiheit zu verweilen, sondern sich selbst in unbekannter Umgebung neu zu entfalten und sich dort ein neues Leben aufzubauen. Die Herkunfts- und Zielregionen haben sich im Laufe der Zeit umgekehrt. Waren es in den vergangenen Jahrhunderten noch Millionen von Europäer_innen, die in die „Neue Welt“ aufbrachen, so vergeht heute kaum ein Tag, an dem nicht vor „ungeregelten Migrationsströmen“ aus dem Süden gewarnt wird. Ziel des Moduls ist es, sowohl die historischen unterschiedlichen Wege und (Beweg-)Gründe von Migrant_innen als auch die politischen, sozialen und ökonomischen Dimensionen heutiger Migrationsbewegungen zu erarbeiten.

Modul Eine Welt – „Was geht uns das an?“

Bausteine: Mobilität und Klimawandel – Entwicklungskritik und Abhängigkeit – Konsumverhalten und Alternativen – Raus aus der Ohnmacht!

Im letzten Modul soll den Teilnehmenden aufgezeigt werden, dass unser alltägliches Handeln „hier“ direkte soziale und ökologische Auswirkungen auf die Lebenssituation „dort“ hat – und umgekehrt. Was bedeutet das also für uns, unseren (alltäglichen) Konsum und unser Handeln? Diese und weitere Fragen sowie das Aufzeigen bereits existierender alternativer Handlungsoptionen stehen im Mittelpunkt.

Wie kommt das Fokuscafé Lateinamerika zu mir?

Wenn Sie mit ihrer Schulklasse oder Jugendgruppe an einer Teilnahme am Fokuscafé Lateinamerika interessiert sind, melden Sie sich zunächst per Email oder telefonisch an. Teilen Sie uns alle wichtigen Informationen über Ihre Gruppe mit (z.B.: 11. Klasse, Spanisch, 22 Schüler_innen, Gymnasium in Wuppertal-Barmen).

Unser Team (in der Regel zwei Teamer_innen) kommt am vereinbarten Termin mit der Galerie, dem benötigten Arbeitsmaterial und der erforderlichen Technik zu Ihnen, um das Programm durchzuführen. Sie stellen für die Durchführung einen geeigneten Seminarraum zur Verfügung (für Gruppen bis 18 TN reicht ein Raum, für größere Gruppen werden zwei Räume benötigt).
Themenwahl

Bitte legen Sie zunächst ihren Themen-Schwerpunkt fest, indem Sie sich für ein Modul aus dem Fokuscafé Lateinamerika entscheiden. Jedes Modul ist eine in sich geschlossene Lerneinheit aus mehreren inhaltlichen Bausteinen. Je nach Größe, Alter und Vorkenntnissen der Gruppe sowie dem zur Verfügung stehenden Zeitbudget für die Durchführung werden wir Ihnen dann einen Vorschlag zu dem gewählten Schwerpunkt machen.
Terminvorschlag Fokuscafé Lateinamerika

Das Fokuscafé Lateinamerika ist durch ein Baustein-System flexibel einsetzbar. Sowohl ein Projekttag oder mehrere Doppelstunden sind mögliche Varianten.
Pro Woche sind bis zu 4 Seminarblöcke à 90 Minuten für das Fokuscafé vorgesehen. Diese können entweder an einem Tag oder verteilt über mehrere Termine (innerhalb von 14 Tagen) gebucht werden. Das Minimum, das wir zur Durchführung eines Moduls benötigen, sind 2 Seminarblöcke bzw. 4 Unterrichtsstunden.
Welche Kosten kommen auf mich zu?

Das Fokuscafé Lateinamerika hat eine finanzielle Förderung von der Bundeszentrale für politische Bildung und der Stiftung Umwelt und Entwicklung erhalten. Dadurch ist die Teilnahme kostenfrei. Unsere Fahrtkosten außerhalb von NRW müssen jedoch anteilig übernommen werden.

Kontakt:

Informationsbüro Nicaragua e.V.
Kristofer Lengert
(Projektkoordination)
Deweerthstr. 8
42107 Wuppertal
Telefon: 0202-300030
Email: info@informationsbuero-nicaragua.org
Web: www.informationsbuero-nicaragua.org

Das Fokuscafé Lateinamerika ist ein Projekt des Informationsbüro Nicaragua e.V. Das Informationsbüro Nicaragua mit Sitz in Wuppertal existiert seit 1978. Es ist deutschlandweit eine der ältesten Organisationen, die im Bereich der Bildungsarbeit zu Lateinamerika tätig sind. In den 80ern stand die politische und praktische Koordination der Arbeit von über 300 Nicaragua-Solidaritätskomittees im Vordergrund. Auch heute noch unterstützt das Informationsbüro Nicaragua die Arbeit unabhängiger sozialer Initiativen in dem mittelamerikanischen Land. Im Zentrum steht aber inzwischen die Informations- und Bildungsarbeit zu Lateinamerika mit wechselnden Schwerpunkten.

Das Fokuscafé Lateinamerika ist Teil des Programms „America Latina 200“, das anlässlich des 200-jährigen Jubiläums der staatlichen Unabhängigkeit Lateinamerikas von der Bundeszentrale für politische Bildung bpb ins Leben gerufen wurde. Es vereint verschiedene Kunst-, Theater-, Film- und Musikprojekte, sowie Ausstellungen, Symposien, Hörspiele und pädagogische Materialien.

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