Die demografische Entwicklung in Deutschland prägt nahezu alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens. Auf der lokalen Ebene nehmen diese Veränderungen persönlich erfahrbare Dimensionen an. Hier wird die Frage beantwortet werden, ob es gelingt, Städte des langen und guten Lebens zu gestalten, die es ihren älteren Bürgerinnen und Bürgern ermöglichen, ihr Leben selbstbestimmt zu gestalten und sich mit ihren Erfahrungen und Interessen einzubringen.

Städte und Gemeinden stehen vor der Herausforderung, den demografischen Wandel an Ort und Stelle zu gestalten. Die nordrhein-westfälische Stadt Arnsberg stellt sich seit langem aktiv die-ser Aufgabe. Dabei setzt sie auf die innovative Produktivität der Bürgerinnen und Bürger als Experten in eigener Sache.

Das aktuelle Konzept „Mehr Lebensqualität im Alter – Zukunft Alter in Arnsberg gestalten“ ist Ergebnis eines gesellschaftlichen Lernprozesses. Einen ersten wichtigen Schrittstellte die Initiative „Wie möchte ich leben, wenn ich älter bin?“ aus dem Jahr 1995 dar, in deren Rahmen eine Befragung von rund 28.000 Arnsbergerinnen und Arnsbergern über 50 Jahren stattfand.
Unter Berücksichtigung dieser Erkenntnisse wurde ein Konzept erarbeitet, mit dessen Hilfe gute lokale Rahmenbedingungen für eine alternde Gesellschaft etabliert werden sollen. Es ist kontinu-ierlich erweitert und immer wieder angepasst worden.

Anfang 2000 wurde die Verwaltung um die „Zukunftsagentur“ ergänzt. Diese Stabstelle ist für die die strategische Gestaltung des demografischen Wandels verantwortlich. Ihr angegliedert ist die „Fachstelle Zukunft Alter“. In der Zukunftsagentur arbeiten Fachleute für die infrastrukturelle sowie die soziale und kulturelle Entwicklung der Stadt zusammen. So werden die kommunalen Entwicklungsprozesse der Schrumpfung und Alterung auf Stadtteilebene interdisziplinär gestaltet und begleitet.
Die Fachstelle Zukunft Alter ist verantwortlich für die Bereiche

  • Unterstützung des aktiven Alters
  • Entwicklung/Unterstützung neuer personaler Zuwendung bei besonderen Belastungen durch das Alter (Demenz etc.)
  •  Dialog der Generationen.

Sie ist mittlerweile zentraler Knotenpunkt eines weit verzweigten lokalen Netzwerkes, das von den Bereichen Gesundheit und Soziales über Jugend, Bildung und Kultur bis zu Politik und Wirtschaft reicht. Die Fachstelle trägt somit dazu bei, Aspekte einer alternden Gesellschaft gerade in Berei-chen zu thematisieren, die zunächst keine oder wenige Bezugspunkte zum Alter(n) sehen. Durch die Initiierung und Koordination von Projekten unterschiedlicher Netzwerkpartner werden lokale Kooperationen aufgebaut oder gestärkt.

In Arnsberg leben gegenwärtig 75.000 Einwohner. Für das  Jahr 2030 gehen Prognosen von einem Rückgang der Bevölkerung auf 65.000 Einwohner aus. Gleichzeitig wird der Anteil der über 65-Jährigen  an der Gesamtbevölkerung um etwa 23 Prozent zunehmen (von 16.060 auf 19.730 Per-sonen). Allein die Zahl der über 80-Jährigen wird von 4.100 auf 5.800 Personen ansteigen. Damit werden auch Demenzerkrankungen zunehmen. Für die Stadt Arnsberg beläuft sich die Schätzung auf etwa 1200 Menschen mit Demenz, für die Zukunft wird mit einer Steigerung gerechnet, insbesondere wird der Anteil der Demenzbetroffenen an den Bürgerinnen und Bürgern der Stadt Arnsberg deutlich steigen. Das Leben mit Demenz gehört damit zur Gesellschaft des langen Lebens.

Häufig wird das Thema Demenz, vor allem die Betreuung und die Pflege der betroffenen Menschen, als ein Thema „für Profis“ behandelt. Dies gilt insbesondere, wenn demenziell Erkrankte in stationären Einrichtungen leben. Aber auch diejenigen, die zu Hause leben und von ihren Angehörigen versorgt werden, erhalten vor allem professionelle Hilfe zum Beispiel von ambulanten Pfle-gediensten. Für pflegende Familienmitglieder gibt es Entlastungsangebote für ein paar Stunden, wenn sie ihre an Demenz erkrankten Angehörigen für einige Zeit durch professionelle Betreuung versorgt wissen. Anbieter sind zumeist Caritas, Diakonie oder andere Organisationen der freien Wohlfahrtspflege am Ort. Zivilgesellschaftliches Handeln scheint für diesen Bereich auf den ersten Blick nicht auszureichen bzw. dem Bedarf der Menschen und ihren Angehörigen nicht gerecht zu werden.

Von 2008 bis 2011 führte die Stadt das von der Robert Bosch Stiftung geförderte Modellprojekt „Arnsberger ‚Lern-Werkstadt’ Demenz“ durch. Denn im Hinblick auf die demografische Entwicklung zeichnet sich deutlich ab, dass mit einer Zunahme der Hochbetagten auch die Zahl von Menschen mit Demenz deutlich ansteigen wird. Aktuelle Schätzungen gehen von 2,6 Millionen Menschen mit Demenz im Jahre 2050 aus (2010: 1,3 Millionen). Schon heute sind die Herausforderungen einer angemessenen Pflege und Betreuung von Menschen mit Demenz sehr groß. Es wird von einem Fachkräftemangel in der Pflege gesprochen, der in Zukunft weiter zunehmen wird. Es mangelt vielerorts an Zeit, an Zuwendung und an Förderung der individuellen Kreativität. Dies wird sich in der Zukunft noch verschärfen.

In der „Lern-Werkstadt“ Demenz geht es darum, Möglichkeiten aufzuzeigen, die beides miteinander verbinden, und Beispiele dafür zu entwickeln, wie das aussehen kann. Das Modellprojekt konnte auf den gewachsenen und mittlerweile weit verzweigten Netzwerken unterschiedlicher Partner in Arnsberg aufbauen. Es berücksichtigt sämtliche Bereiche, die den an Demenz erkrank-ten Menschen betreffen und sich auf seine Versorgung und Lebensqualität auswirken. Dazu gehören neben den professionellen – Medizin, Pflege, Physio-/Ergotherapie oder Beratungsangebote – auch die persönlichen Bereiche wie das Wohnumfeld und die jeweilige soziale Situation. Mit dem Projekt sollte gezeigt werden, wie professionelle Versorgungsangebote mit zivilgesellschaftlichen Aktivitäten zum Wohle von Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen verknüpft werden kön-nen.

Die im Projekt „Arnsberger ‚Lern-Werkstadt’ Demenz“ gewonnenen Erkenntnisse, die „gelernten Lektionen“, können wie folgt beschrieben werden:

  • Das Thema „Demenz“ kann erfolgreich enttabuisiert werden. Voraussetzung ist eine stetige gesellschaftliche Kommunikation, die insbesondere über Projekte organisiert werden kann. Die Folge: mehr Wissen, mehr Prävention, mehr und bessere Unterstützung durch Familie, sowie mehr und bessere Unterstützung der Betroffenen und ihrer Familien durch engagierte Bürger und Profis. Voraussetzung: Die Stadt muss Verantwortung übernehmen – von allein geht es nicht.
  • Ein besseres Leben mit Demenz ist möglich, wenn wir familiäre Begleitung, professionelle Unterstützung und bürgerschaftliches Engagement eng und individuell miteinander verknüpfen. Voraussetzung: Offenheit füreinander, frühzeitige Information und Beratung, Qualifikation und lokale Netzwerke. Die Stadt initiiert, vernetzt und unterstützt. Eine besondere Bedeutung kommt dem Hausarzt zu.
  • Von besonderer Bedeutung ist eine frühzeitige Beratung, die nicht defizitorientiert arbeitet, sondern die individuellen Potenziale der Betroffenen und ihrer Familien in den Blick nimmt und die die Unterstützung von Profis und freiwilligem Engagement passge-nau koppelt und vermittelt. Individuelle, flexible und vielfältige Unterstützungsmöglichkeiten entstehen, die wir vorher noch gar nicht gekannt haben.
  • Die neue Unterstützung von Menschen mit Demenz und ihrer Familien macht die Stadt sozial produktiver und lebendiger. Sie verbindet über das Thema „Demenz“ Generationen miteinander und schafft sozialen Zusammenhalt.

Nicht zuletzt: Ein besseres Leben mit Demenz wird möglich durch ein neues kommunales „Management“ von bürgerschaftlichem Engagement und professionellem Handeln, von Einzelaktivitäten und Netzwerken. Es wird möglich durch eine neue Kultur des Miteinanders der Generationen, die mit Mut, Freiheit und Neugierde beginnt. Neugierde, auch auf das, was wir von Menschen mit Demenz für unsere Zukunft lernen können, in der wir alle Demenzbetroffene oder deren unterstützende Angehörige sein können.

Das Lernen des Lebens mit Demenz ist ein Thema der Gesellschaft des langen Lebens. Diese Gesellschaft vor Ort zu organisieren bedeutet, Städte des guten und langen Lebens zu organisieren und zu unterstützen. Dies aber ist eine neue Aufgabe kommunaler Selbstverwaltung, keine freiwillige, sondern eine Pflichtaufgabe der Kommunen.

Arnsberg beteiligt sich im Rahmen der Zukunftswerkstatt Demenz des Bundesministeriums für Gesundheit an dem Forschungsprojekt DemNet-D. Ziel ist es, Erfolgskriterien von lokalen Demenz-Netzwerken zu identifizieren und sie in die Breite zu tragen.

http://www.bmg.bund.de/index.php?id=13615

 

Ausführliche Informationen zur Arnsberger „Lern-Werkstadt“ Demenz sowie die Arbeit der Fachstelle „Zukunft Alter“ finden Sie hier:
www.arnsberg.de/zukunft-alter
www.projekt-demenz-arnsberg.de

Ansprechpartner:
Stadt Arnsberg
Fachstelle „Zukunft Alter“
Martin Polenz
Lange Wende 16a
59755 Arnsberg
Telefon: 02932 2012206
Mail: m.polenz@arnsberg.de

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