Die Ausbildung in Chemieberufen muss mit der wachsenden Nachhaltigkeitsorientierung der Chemieunternehmen Schritt halten. Für die berufliche Bildung heißt das: Sie muss den Jugendlichen die grundlegenden Kenntnisse und konkreten Handlungskompetenzen für das Aufgabenfeld Nachhaltigkeit vermitteln. Auszubildende, die dieses Rüstzeug mitbringen, sind für ihre spätere Berufstätigkeit in den Chemiebetrieben besser vorbereitet. Denn es zählt der Beitrag jedes Mitarbeiters, um die Nachhaltigkeitsziele der Unternehmen zu erreichen. Nachhaltigkeitskompetenzen und -qualifikationen der Mitarbeiter werden für die Chemieunternehmen an Bedeutung gewinnen und daher von der Industrie künftig verstärkt nachgefragt.

Nachhaltigkeit in der Chemieausbildung (NICA) war Thema eines Projektes, das von September 2005 bis zum August 2008 in der RHEIN-ERFT AKADEMIE GmbH im Chemiepark Knapsack in Hürth durchgeführt wurde. Es ging darum, Anforderungen der nachhaltigen Entwicklung in die Chemikantenausbildung einzubeziehen, eine inhaltliche und didaktische Neuausrichtung der Ausbildungsmodule einzuleiten und die dauerhafte Wirksamkeit der beruflichen Lehr- und Lernprozessen unter Beweis zu stellen. NICA wurde als Modellversuch vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) im Rahmen des Arbeitsschwerpunktes „Berufsbildung für eine Nachhaltige Entwicklung (BBNE)“ aus Mitteln des BMBF gefördert.

Im Rahmen von NICA wurden neue Ausbildungsmodule entwickelt, die den Auszubildenden die notwendigen theoretischen Kenntnisse für ein nachhaltiges Wirtschaften vermittelten. Um diese Kenntnisse in der Praxis umsetzen und erproben zu können, initiierte die RHEIN-ERFT AKADEMIE ein praxisorientiertes überdisziplinäres Azubiprojekt. Es entstand die Idee, Auszubildenden die Errichtung eines Nachhaltigkeitshauses zu übertragen. Dabei stand nicht der Hausbau als solches im Mittelpunkt. Es ging vielmehr um das Ziel, von Auszubildenden selbst organisierte Projekte unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten modellhaft durchzuführen.

Ausgangspunkt für die Idee des Nachhaltigkeitshauses war das unter pädagogischen Gesichtspunkten oft unvermeidbare Dilemma, dass junge Menschen im praktischen Teil ihrer Ausbildung Produkte herstellen, die keine weitere Verwendung finden. Die Ergebnisse ihrer Arbeit werden nach Fertigstellung praktisch entsorgt. Deshalb kreisten die Überlegungen im NICA-Projekt um die Frage, wie man dieses Dilemma vermeiden könnte.

Die Chemikanten lernen bei der Ausbildung im Produktionstechnikum der RHEIN-ERFT AKADEMIE die Herstellung von Calciumsulfat (Gips). Bei der Prüfung, welche Produktverwendungsmöglichkeiten sich damit bieten, kamen die Ausbilder auf die verrückt anmutende Idee eines Hausbaus. Nachdem die Geschäftsführung der RHEIN-ERFT AKADEMIE und die Standortleitung des Chemieparks Knapsack von der Idee überzeugt werden konnten, die Finanzierung zudem ausschließlich über Sponsoring erfolgen sollte, wurde der Startschuss für das anspruchsvolle Unterfangen gegeben.

Zunächst wurde eine virtuelle Azubi-Firma gegründet, die die Projektleitung und Umsetzung gewährleisten sollte. Auszubildende aus verschiedenen Unternehmen mit unterschiedlichen Ausbildungsberufen fanden sich hier zusammen. Neben Standortunternehmen aus dem Chemiepark Knapsack konnten Projektpartner auch außerhalb des Chemieparks gewonnen werden, die durch materielle und finanzielle Beteiligung, zum Teil auch mit eigenen Auszubildenden, das Vorhaben unterstützten. Beteiligt waren im Laufe der Umsetzung rund 50 Auszubildende aus den Ausbildungsbereichen Chemie, Technik, Bau-Handwerk und Kaufleute.

Während der Ausbildungszeit, aber auch in ihrer Freizeit, arbeiteten die Auszubildenden an der Verwirklichung ihres Projektes. Von der Bauplanung, der Organisation und die Finanzierung über den Rohbau bis hin zur konkreten Ausgestaltung des Außen- und Innenraumes wurde alles eigenständig und voller Tatendrang in die Hand genommen.

Die ersten Pläne wurden erstellt und verworfen. Schließlich wurde eine Dreifachnutzung des Gebäudes mit multimedialem Tagungsraum, Azubi-Zentrum und Info-Point für Nachhaltigkeit favorisiert. Sowohl die Verwendung von Baumaterialien, als auch die energetische Versorgung des Gebäudes wurden unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten geplant und umgesetzt.

Die Bauzeichnungen wurden von einer Auszubildenden gefertigt, deren Fachgebiet als Technische Zeichnerin eigentlich Elektrotechnik und nicht Architektur war, und deshalb eigens für das Projekt einen Weiterbildungskurs besuchte. Auch die Gewerke im Rohbau und Innenausbau übernahmen fast vollständig Auszubildende. Mitarbeiter der RHEIN-ERFT AKADEMIE, des Chemieparkbetreibers InfraServ Knapsack und der Kooperationspartner begleiteten die Aktivitäten und kontrollierten diese im Sinne einer fachmännischen Fertigstellung.

Die Planung und Durchführung der Gewerke durch die Auszubildenden erforderte von diesen eine starke persönliche Beteiligung, die aber zu einem enormen Kompetenzerwerb führte. Auch wenn das Teilprojekt ein Bespiel für Kompetenz erweiternde Azubi-Projekte darstellt, ist es in dieser Stelle wichtig, darauf hinzuweisen, dass die Ausbildungsziele immer vorrangig blieben. Diese wurden zwar durch die engagierte Projektarbeit qualitativ angereichert, bildeten aber dennoch nur ein Add-On zur regulären Ausbildung.

Zwei Jahre nach dem Spatenstich am 08.05.2008 wurde das fertig gestellte Nachhaltigkeitshaus am 07.05.2010 eingeweiht. Aufgrund seines Leuchtturmcharakters als interdisziplinäres Projekt in Verbindung mit einer virtuellen Azubifirma wurde das „House of NICA“ von der deutschen UNESCO-Sektion als offizielles Projekt der Weltdekade 2007/2008 ausgezeichnet.

 

Kontakt:

RHEIN-ERFT AKADEMIE GmbH
Chemiepark Knapsack
50354 Hürth

Bernd Bartsch
02233/48-2419
bernd.bartsch@rhein-erft-akademie.de

Bernhard Keppeler
02233/48-6982
bernhard.keppeler@rhein-erft-akademie.de 

Rainer Overmann
02233/48-6330
rainer.overmann@rhein-erft-akademie.de

www.nachhaltige-berufsbildung.de

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